Ballettakademie: Kinderschutz braucht besondere Aufmerksamkeit
Die Kinder- und Jugendanwaltschaft Wien setzt auf Bewusstseinsbildung, lückenlose Aufklärung und gemeinsame Erarbeitung von umfassenden Kinderschutzkonzepten.
Seit Dezember 2018 arbeitet die Kinder- und Jugendanwaltschaft mit der Ballettakademie daran, erfolgte Kinderrechtsverletzungen aufzuklären und Gewalt, Missbrauch und jegliche Art der Grenzüberschreitung in Zukunft zu verhindern. Im Zuge dieses Prozesses ging es von Anfang an auch darum, an Staatsoper und Ballettakademie eine Kultur des Hinschauens, der Transparenz und des unbedingten Ernstnehmens bei Verdacht auf Kinderrechtsverletzungen zu schaffen. Von manchen der in der Wochenzeitung „Falter“ beschriebenen Missstände hat allerdings auch die Kinder- und Jugendanwaltschaft erst diese Woche erfahren.
Grundlegende Aufarbeitung und Neuausrichtung
Bewusstseinsbildung und eine möglichst lückenlose Aufklärung und Aufarbeitung der Vorfälle bilden die notwendige Basis für den angestrebten Prozess der Erneuerung und Umarbeitung. Deshalb rufen die Kinder- und JugendanwältInnen Monika Pinterits und Ercan Nik Nafs alle Betroffenen auf, sich an die Kinder- und Jugendanwaltschaft zu wenden. Diese berät und begleitet Kinder, Jugendliche und deren Eltern vertraulich, kostenlos und parteiisch.
Zudem begrüßt die Kinder- und Jugendanwaltschaft die Einrichtung einer Sonderkommission zu den Vorfällen und spricht sich für eine umfassende Zusammenarbeit aus.
In den aktuell tätigen gemeinsamen Arbeitsgruppen von Kinder- und Jugendanwaltschaft und Ballettakademie geht es um eine grundlegende Umarbeitung der pädagogischen Haltungen und Praxen, der Abläufe sowie der entsprechenden organisatorischen und pädagogischen Konzepte. Dazu wird ein Kinderschutzkonzept entwickelt, das die Integration des Kinderschutzes in alle Lebensbereiche der Kinder und Jugendlichen an der Ballettakademie sicherstellt. Darin ist eine spezifisch auf die Institution abgestimmte Risikoanalyse ebenso enthalten wie pädagogische und organisatorische Richtlinien und Standards, ein Beschwerde- und Krisenmanagement, die Schulung des Teams, Monitoring und Evaluation.
Leistungssport begünstigt oft Missstände
Es kommt nicht von ungefähr, dass wir in Ausbildungskontexten, in denen es um Karrieren im Sport und um körperliche Leistung geht, häufig mit Missbrauch und Gewalt konfrontiert sind. Entsprechend intensiv beschäftigt sich die Kinder- und Jugendanwaltschaft mit diesen Themen. Besonders das Ziel, Karriere zu machen, ein Star zu werden, legitimiert hier scheinbar autoritäre Strukturen, Drill und Grenzüberschreitungen. Und dies ist eine Kultur, die Gewalt und Missbrauch begünstigt. Das muss aber nicht so sein.
An alle Erwachsenen: hinschauen!
Die Kinder- und Jugendanwaltschaft ruft hier auch alle Eltern und Erziehungsberechtigten auf, sich dieser Problematik bewusst zu sein und genau hinzuschauen: In welcher Ausbildungsstätte, welchem Sportverein melde ich mein Kind an? Steht hier die Freude an der Bewegung im Vordergrund? Werden Kinder darin unterstützt, auf ihre körperlichen Signale und ihre Gesundheit zu achten? Und wie wird, besonders im Leistungssport, ein gesunder Umgang mit eigenen Grenzen, Leistung und Dynamiken in der Gruppe gelebt? „Falls Sie hier als Eltern Zweifel haben, wenden Sie sich an eine kompetente Stelle wie die Kinder- und Jugendanwaltschaft“, so Monika Pinterits und Ercan Nik Nafs. Und die beiden rufen alle Erwachsenen auf: „Schauen wir gemeinsam auf unsere Kinder und Jugendlichen! Und ermächtigen wir sie auch, auf sich selbst und auf einander zu achten!“