Qualitätsstandards zur verpflichtenden Erziehungsberatung bei Scheidungen
Wenn Eltern sich trennen, ist es ihnen oft nicht mehr möglich, auf die Bedürfnisse ihrer Kinder Rücksicht zu nehmen. Erziehungsberaterinnen und –berater unterstützen Familien bei hoch eskalierten Trennungs- und Scheidungsangelegenheiten. Da im § 107 des Kindschafts- und Namensrechts-Änderungsgesetzes die Anwendungsmodalitäten für die Beratung nicht näher bestimmt wurden, hat eine ExpertInnen-Kommission, der auch die Kinder- und Jugendanwaltschaft Wien angehörte, im Auftrag des Bundesministeriums für Familie und Jugend und in Kooperation mit dem Bundesministerium für Justiz Qualitätsstandards zu § 107 entwickelt. Der Prozess wurde wissenschaftlich begleitet und im August 2016 finalisiert, die Erziehungsberaterinnen und –berater sind nun im Einsatz. Ihre Aufgabe ist es, Kinder zu entlasten und Eltern dabei zu unterstützen, eine tragfähige Beziehung auf Elternebene zu erarbeiten.
Sicherung des Kindeswohls
Das Kindschafts- und Namensrechts- Änderungsgesetz, das im Februar 2013 in Kraft getreten ist, brachte einige Veränderungen im Bereich von Pflegschaftsverfahren. Neben der verpflichtenden Inanspruchnahme an einem Erstgespräch über Mediation sowie der Teilnahme von Anti-Aggressionstrainings in Fällen von Gewalt wurden zur Sicherung des Kindeswohls folgende Maßnahmen implementiert:
- Bei einvernehmlicher Scheidung ist eine verpflichtende Elternberatung nach § 95 Abs.1A AußStrG zu besuchen, um Eltern dabei zu unterstützen, ihre Trennung so zu gestalten, dass die Bedürfnisse ihres Kindes beziehungsweise ihrer Kinder bestmöglich berücksichtigt werden.
- Bei strittigen Scheidungen, aber auch in konfliktreichen Verfahren, in denen eine Kindeswohlgefährdung vorliegt oder vermutet wird, kann das Gericht die Eltern verpflichten, Erziehungsberatung nach § 107 Abs.3 ZI AußStrG in Anspruch zu nehmen.
- Während es bei der Elternberatung darum geht, die Eltern in erster Linie über spezifische Bedürfnisse beziehungsweise Reaktionen ihres Kindes beziehungsweise ihrer Kinder nach der Scheidung zu informieren, ihnen zu vermitteln, wie Inhalte kindgerecht mitgeteilt werden können etc., liegt der Focus der Erziehungsberatung in der Sicherung des Kindeswohls.
Aufgaben und Ziele der Erziehungsberatung
Aufgrund der Weisungsfreiheit obliegt die Anordnung der § 107 Beratung der Richterin beziehungsweise dem Richter und kann je nach Kontext und Anfordernissen modifiziert werden. Die Qualitätsstandards beinhalten jedoch fachliche Anforderungen, die nach Ansicht der Expertinnen und Experten Berücksichtigung finden sollten. So wurden Aufgaben und Zielsetzung konkret definiert, der Verlauf des Beratungsprozesses in allen Phasen beschrieben und auf Grenzen der Beratung hingewiesen.
Abschließend wurde ein Anforderungsprofil für Bewerberinnen und Bewerber erstellt, die Beratung nach § 107 anbieten möchten. Damit soll sichergestellt werden, dass Anbieterinnen und Anbieter über entsprechende Kompetenzen und hohes Fachwissen verfügen, um für die Ausübung der Erziehungsberatung qualifiziert zu sein. Hearings dienten dazu, sich darüber hinaus einen Eindruck der Bewerberinnen und Bewerber zu verschaffen.
Obwohl es sich bei der verpflichteten Erziehungsberatung um ein Setting im Zwangskontext handelt, zeigen Erfahrungen, dass es dennoch in vielen Fällen möglich ist, eine Arbeitsbasis mit den Eltern zu finden und sie wieder ein Stück weg von ihrem persönlichen Konflikt und somit näher zum Kind zu bringen.
Leider müssen die Eltern selbst für die Kosten der Erziehungsberatung aufkommen. Bisher wurde kein kostenfreies Angebot gesetzt, obwohl die Beratungskosten für Eltern mit geringem Einkommen eine zusätzliche finanzielle Belastung darstellen.
Weitere Informationen
Trennung und Scheidung – bmfi