Breites Bündnis gegen eine „Verländerung“ der Kinder- und Jugendhilfe
Seit Jahren bemühen sich die Kinder- und Jugendanwaltschaften der Bundesländer (KIJAS) gemeinsam mit anderen Expertinnen und Experten, dass alle Kinder in ganz Österreich die gleichen Leistungen im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe erhalten und somit für alle der gleiche Schutz sichergestellt ist. Pläne der Regierung, die Kinder- und Jugendhilfe zur Ländersache zu erklären, sorgen nun jedoch für die berechtigte Sorge, dass eine „Verländerung“ negative Folgen im Bereich Kinderschutz und Gleichbehandlung zur Folge haben wird. Am 26. Juni 2018 positionierte sich daher eine breites Bündnis von Organisationen bei einer Pressekonferenz in der Kinder- und Jugendanwaltschaft Wien deutlich gegen die geplante „Verländerung“ der Kinder- und Jugendhilfe.
„Verländerung“ massiver Rückschritt für Kinderschutz
Die Abschaffung der Zuständigkeit des Bundes, wird regionalen Ungleichbehandlungen von Kindern und Jugendlichen Vorschub leisten, so die Befürchtung des Bündnisses. Schon derzeit gibt es enorme qualitative Unterschiede in den neun Bundesländern, sowohl bei den Hilfen zur Erziehung als auch bei der Unterbringung von Kindern und Jugendlichen. Sollten nun die bundesweit gesetzlich geregelten Mindestvorgaben fallen und in die alleinige Zuständigkeit der Länder gelegt werden, könnten sich auf Grund unterschiedlicher finanzieller und personeller Ressourcen die Unterstützungsleistungen für Kinder und Jugendliche noch mehr unterscheiden. Die Folge sind sowohl massive Abstriche im Bereich des Kinderschutzes als auch Rechtsunsicherheit. Das jahrelange Ringen um eine Vereinheitlichung des Jugendschutzes zeigt deutlich, wie schwierig es ist, dass sich neun Bundesländer auf einheitliche Bestimmungen einigen.
Klares Bekenntnis zu ungeteilten Kinderrechten
Neben den zentralen Prinzipien der UN-Kinderrechtskonvention ergibt sich insbesondere aus Art. 2 Abs. 2 des BVG über die Rechte von Kindern die besondere Verpflichtung des Staates zum Schutz Minderjähriger, die dauernd oder vorübergehend aus ihrem familiären Umfeld herausgelöst sind. Die Streichung des geplanten bundesweit einheitlichen gesetzlichen Rahmens widerspricht den zentralen Prinzipien der UN-Kinderrechtskonvention. Schon anlässlich des letzten Staatenberichtes kritisierte der UN-Kinderrechtsausschuss, dass in Österreich die Aufsicht über die Institutionen zur Fremdunterbringung sowie die Festlegung von Qualitätsstandards Länder- anstatt Bundessache sei. Nachbesserungen in diesem Bereich wurden empfohlen.
Hindernis für Weiterentwicklung einer modernen Kinder- und Jugendhilfe
Die für alle damit befassten Berufsgruppen völlig überraschend und ohne deren Einbindung geplante „Verländerung“ der Kinder- und Jugendhilfe widerspricht allen bisherigen Bemühungen um Vereinheitlichung von Leistungsangeboten und Qualitätsstandards, etwa hinsichtlich der Gefährdungsabklärung oder der vollen Erziehung. Der durch das Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetz 2013 (B-KJHG 2013) in Gang gekommene Prozess der bundeseinheitlichen Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe (etwa das Vier-Augen-Prinzip bei der Gefährdungsabklärung oder die Mitteilungspflichten bei Kindeswohlgefährdungen) wird aufs Spiel gesetzt. Die zu befürchtenden Nachteile für die betroffenen jungen Menschen wurden nicht mit den in diesem Prozess eingebundenen Expertinnen und Experten diskutiert. Ebenso wurde die gemeinsam mit dem B-KJHG 2013 vom Parlament beschlossene Gesetzesevaluierung, deren Ergebnisse im Herbst 2018 vorliegen werden, völlig außer Acht gelassen.
Kinderschutz ist eine gesamtgesellschaftliche Angelegenheit – die Verantwortung dafür liegt bei Bund, Ländern und Gemeinden. Der Bund kann sich aus dieser Verantwortung nicht verabschieden!
Bündnis gegen Regierungspläne
Die Österreichischen Kinder- und Jugendanwaltschaften, die Kommission der Volksanwaltschaft – Wien, die Richtervereinigung – Fachgruppe Außerstreit und Familienrecht, der Dachverband österreichischer Jugendhilfeeinrichtungen, die Österreichischen Kinderschutzzentren, die Österreichische Liga für Kinder- und Jugendgesundheit, der Österreichischer Berufsverband der Sozialen Arbeit, das Netzwerk Kinderrechte (NC), das Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte – Wien und das Kinderrechte Board vertreten in diesem Bündnis insgesamt rund 1.000 weitere Organisationen und Einzelpersonen.