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An SchülerInnen und LehrerInnen: Danke und schöne Ferien! An die Regierung: Schule ermöglichen!

Die KJA verabschiedet die SchülerInnen in die Semesterferien und appelliert an die Regierungsverantwortlichen, die psychische Gesundheit der Jungen endlich ernst zu nehmen.

Die letzten zehn Monate haben SchülerInnen, Eltern und LehrerInnen viel abverlangt. Ob Distance Learning oder Präsenzunterricht: Die Herausforderungen waren für alle groß und vielfältig. Aber SchülerInnen sind nicht nur SchülerInnen, sondern auch Kinder und Jugendliche. Und Schulen sind nicht nur Orte des Lernens. „Was geschieht, wenn Schulen ihre Funktion als Schutz- und Entwicklungsräume und Orte der Gemeinschaft nicht wahrnehmen können, bekommen wir gerade im großen Maßstab präsentiert“, warnt Kinder- und Jugendanwalt Ercan Nik Nafs.

Denn die psychische Gesundheit der Kinder und Jugendlichen leidet sehr unter dem Mangel an sozialem Kontakt und Gemeinschaft. „Das betrifft nicht einige wenige, sondern nahezu alle Kinder und Jugendlichen“, hält Kinder- und Jugendanwältin Dunja Gharwal fest. „Der aktuelle Alarmruf aus Kinder- und Jugendpsychiatrien zeigt die traurige Spitze eines riesigen Eisbergs. Wir brauchen jetzt pandemietaugliche Lösungen für die Schulen. Und Lösungen sind erst Lösungen, wenn sie die Gesundheit der Kinder und Jugendlichen so wenig wie irgend möglich gefährden.“

 

Kinder und Jugendliche schützen Erwachsene – schützen wir auch Kinder und Jugendliche!

„Kinder und Jugendliche sind in dieser Zeit so verständnisvoll, nachsichtig und solidarisch“, streichen die Kinder- und JugendanwältInnen den großen Beitrag der Jungen in der Zeit der Pandemie hervor. „Dafür möchten wir Danke sagen!“ Gleichzeitig mahnen Gharwal und Nik Nafs: „Wir dürfen aber nicht vergessen, dass alle Kinder und Jugendlichen durch die aktuelle Situation bereits extrem belastet sind. Denn Kinder und Jugendliche sind in der Pandemie zwar körperlich weniger gefährdet, in ihrer seelischen Gesundheit aber deutlich stärker beeinträchtigt als Erwachsene. Vor allem fehlende Sozialkontakte und mangelnder direkter, auch persönlicher Austausch setzen Kindern und Jugendlichen mehr zu. Zudem hat sich der Zugang zu Vertrauenspersonen und sozialen Sicherungsnetzen verschlechtert. Das hat Folgen, die wir als Gesellschaft nicht verantworten können. Denn diese Folgen sind durch gute Konzepte vermeidbar.“

 

Jetzt: umfassender und nachhaltiger Plan für Bildung und psychische Gesundheit!

Dunja Gharwal und Ercan Nik Nafs appellieren: „Wir brauchen jetzt schnell einen guten und haltbaren Plan für die Öffnung der Schulen und Hochschulen. Die akut notwendigen Maßnahmen im Bildungsbereich kennen wir bereits: häufige Testungen, stabile Kleingruppen, Hygienemaßnahmen, mehr pädagogisches und unterstützendes Personal. Auch ein Vorreihen von PädagogInnen bei Impfungen wäre angebracht.“

Aber nun ist auch überdeutlich, dass weitere Sofortmaßnahmen im Bereich der psychischen Gesundheit nötig sind, um die schwerwiegenden Auswirkungen der Pandemie auf Kinder und Jugendliche wenigstens einigermaßen abzufedern. Die vielen psychisch belasteten jungen Menschen brauchen Unterstützung oder zumindest Rücksichtnahme und Augenmerk auch im Bildungsbereich, um sich psychisch zu erholen. Nur so wird letztlich auch Schule wieder möglich sein. Dazu braucht es auch personelle und finanzielle Ressourcen.

Mit Sofortmaßnahmen kann es aber nicht getan sein. Um die Krise der Kindergesundheit nachhaltig aufzufangen, braucht es über die genannten Maßnahmen hinaus Strukturreformen im Bildungs- und im Gesundheitsbereich. Die notwendigen Schritte für Schulen und Hochschulen hat die Kinder- und Jugendanwaltschaft bereits in der Vorwoche zusammengefasst. Aber auch im Bereich der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen haben wir es nicht nur mit einer klaren Mangelversorgung zu tun, sondern es bestehen große Systemprobleme, die jetzt mehr denn je schlagend werden. Die Kinder- und Jugendanwaltschaft hat sie bereits in ihrem Jahresbericht 2019 beschrieben. Dunja Gharwal konkretisiert: „Von diesen Systemproblemen können wir uns nur befreien, wenn wir Kassenplätze für Kinder- und JugendpsychiaterInnen so attraktivieren, dass es genügend KassenärztInnen in diesem Bereich gibt, wenn wir deutlich mehr kostenfreie Therapieplätze für Kinder und Jugendliche bereitstellen und außerdem dafür sorgen, dass GutachterInnen, die Kinder und Jugendliche begutachten, auch tatsächlich auf diese Altersgruppe spezialisiert sind.“

 

Alarmierende Zahlen zur psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen

Ercan Nik Nafs fasst die Erfahrungen der Kinder- und Jugendanwaltschaft zusammen: „In den letzten Monaten belasten Angst vor Ansteckung, Sorgen um Angehörige, der Wegfall von familiärer Unterstützung, finanzielle Nöte, drohender oder tatsächlicher Jobverlust, zahlreiche Schwierigkeiten rund um Homeschooling, das Fehlen von Rückzugsräumen und tägliche neue Nachrichten und Handlungsanweisungen die Familien sehr.“

Aktuelle Studien und ExpertInnenmeinungen zeigen deutlich, wie drastisch familiäre Spannungen und häusliche Gewalt gestiegen sind. Und sie weisen auf die psychologischen Folgen von Pandemie und Quarantänemaßnahmen hin. So leiden etwa in der Quarantäne drei Viertel der Menschen unter gedrückter Stimmung, mehr als die Hälfte unter erhöhter Reizbarkeit und jeder fünfte Mensch unter Angst, ebenso viele jeweils unter Nervosität und Traurigkeit. Bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen sind diese Zahlen sogar noch höher. Die Hälfte der jungen Erwachsenen leidet unter depressiven Symptomen. Die Zahl der Essstörungen hat sich bei Kindern und Jugendlichen vervielfacht. Und bereits Achtjährige zeigen deutliche depressive Symptomatiken.

Die Kinder- und JugendanwältInnen appellieren deshalb an die Bundesregierung: „Bitte entscheiden Sie jetzt im Sinne von Gesundheit und Zukunftschancen der Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen!“