Gesundheitliche Risiken und Nebenwirkungen der Corona-Maßnahmen für Kinder und Jugendliche
- Die Kinder- und Jugendanwaltschaft Wien appelliert, trotz Virus nicht auf das Kinderrecht auf bestmögliche medizinische Versorgung zu vergessen!
Gesundheitsschädliche Wirkung des aktuellen Versorgungsmangels
Seit bald sechs Wochen sind nun die Corona-Bestimmungen in Kraft, in denen es für den Gesundheitsbereich hieß: Routineuntersuchungen werden ausgesetzt und Arztbesuche erfolgen nur, wenn sie absolut notwendig sind. Entsprechend wurden viele Operationen verschoben, da sie nicht als lebensnotwendig eingestuft wurden. Viele Ordinationen sind zudem zugesperrt.
Die gesundheitlichen Kosten dieser Maßnahmen für Kinder und Jugendliche sind derzeit nicht in ihrer Gesamtheit abschätzbar, es mehren sich aber Hinweise, dass die Auswirkungen auf die Gesundheit und Entwicklung junger Menschen gravierend sind. Erste Studien aus anderen Ländern sprechen bereits von Kollateralschäden dieser Corona-Maßnahmen, weil Kinder nicht oder zu spät ärztlich versorgt wurden. Jedenfalls erhöht wird die Gefährdung der Kindergesundheit durch die psychische Belastung aufgrund Isolation und Bewegungsmangel.
Auch für den Schutz vor Gewalt sind KinderärztInnen wesentlich: Oftmals sind es nämlich ÄrztInnen oder Spitalspersonal, die sich an die Kinderschutzbehörden wenden, wenn sie den Verdacht haben, dass Kinder vernachlässigt, misshandelt oder missbraucht werden. „Wenn Kinder und Jugendliche nicht ärztlich betreut werden, fällt es noch weniger auf, wenn ihr Wohl in Gefahr ist.“, so Kinder- und Jugendanwältin Dunja Gharwal. Insofern ist der Rückgang der Anzahl an Gefährdungsmeldungen an die Kinder- und Jugendhilfe alles andere als beruhigend. Österreich ist laut Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern dazu verpflichtet, das Wohl des Kindes bei Maßnahmen, die Kinder betreffen, vorrangig zu berücksichtigen. Dieses Prinzip wurde zum Schutz besonders gefährdeter Bevölkerungsgruppen hintangestellt.
… und Versäumnissen der Vergangenheit
Die Corona-Krise verstärkt in vielen Bereichen strukturelle Mängel, die schon lange Zeit vorhanden sind. Dies gilt auch für den Bereich der Kindergesundheit. Ob der Mangel an Kassen-KinderärztInnen oder funktionellen Therapien, an Plätzen in der Kinder- und Jugendpsychiatrie oder Diagnostikangeboten für Kinder mit besonderen Bedürfnissen: Die medizinische Versorgung von Kindern und Jugendlichen ist geprägt von gesundheitspolitischer Vernachlässigung und Unterfinanzierung. Diese Versäumnisse der Vergangenheit verschlimmern die aktuelle Situation zusätzlich. „Die bestehenden Mängel in der Gesundheitsversorgung von Kindern und Jugendlichen auszuräumen ist jetzt dringend nötig.“, appelliert Kinder- und Jugendanwalt Ercan Nik Nafs.
Für Wiederaufnahme des kindermedizinischen Regelbetriebs, Ausbau bei KassenärztInnen, -therapien und Betten sowie Forschung
„Es ist jetzt an der Zeit, auch wieder an die Gesundheit und Entwicklungschancen von Kindern und Jugendlichen zu denken“, sind die Kinder- und JugendanwältInnen überzeugt. Kinder haben nach der UN-Kinderrechtskonvention das Recht auf die bestmögliche – und damit auch schnellstmögliche – medizinische Versorgung. Aus diesem Grund fordert die KJA Wien
- die unverzügliche Wiederaufnahme des Regelbetriebs in Ordinationen und Spitälern für Kinder und Jugendliche. Routineuntersuchungen und Behandlungen müssen wieder durchgeführt, aufgeschobene Operationen müssen nachgeholt und Therapien (Psycho-, Ergotherapien etc.) sowie Impfprogramme wieder aufgenommen werden.
- den weiteren Ausbau von Kassenverträgen mit KinderärztInnen und Kinder- und JugendpsychiaterInnen sowie Kinder- und Jugendpsychotherapeuten, ausreichende kostenfreie Diagnostik- und Therapieangebote für alle Kinder und Jugendlichen sowie einen Ausbau der Bettenkapazität in der Kinder- und Jugendpsychiatrie.
- die Durchführung von Begleitforschung zu den Auswirkungen der Quarantänemaßnahmen auf die physische und psychische Gesundheit und Entwicklung von Kindern und Jugendlichen
Gesundheitliche Risiken und Nebenwirkungen der Maßnahmen mitbedenken!
Junge Menschen mussten zur Bekämpfung der Pandemie auf viel verzichten, die Folgen für ihre Gesundheit und ihre Entwicklung sind weitgehend offen. Anders als bei älteren Menschen, die durch das Virus selbst gefährdet sind, stehen bei den Jungen die gesundheitlichen Risiken und Nebenwirkungen der Maßnahmen im Vordergrund. Sollten weitere Beschränkungen aufgrund SARS-CoV-2 notwendig sein, muss die Politik Daten über die gesundheitlichen Konsequenzen für Kinder und Jugendliche berücksichtigen. Das in der österreichischen Bundesverfassung verankerte Prinzip des Kindeswohlvorrangs muss ab nun wieder geprüft werden.