25 Jahre Kinder- und Jugendanwaltschaft Wien
Die Kinder- und Jugendanwaltschaft Wien feierte am 23. Juni 2016 ihr 25-jähriges Bestehen im Wiener Rathaus. Gemeinsam mit den Kinder- und Jugendanwältinnen und -anwälten der letzten Jahre sowie den ehemaligen und amtierenden Stadträtinnen und Stadträten wurde auf die Erfolge dieses Vierteljahrhunderts zurückgeblickt. Höhepunkt der Veranstaltung war die Präsentation des Buches Kinderrechte, das dieses wichtige Thema aus der Sicht von Kindern und Jugendlichen zeigt. Moderatorin Sonja Kato führte durch den Abend.
Stadtrat Jürgen Czernohorszky erinnerte in seiner Eröffnungsrede daran, dass Kinder handelnde Subjekte mit eigener Meinung sind. „Kinder sind unsere Zukunft, heißt es ja immer, aber was wir dabei oft vergessen ist: die Kinder sind jetzt schon da.“ Ihnen gehört auch die Gegenwart. Er lobte, dass die Kinder- und Jugendanwaltschaft sich mit „heißem Herzen“ für die Kinderrechte einsetzt und immer wieder aus den Erkenntnissen der Einzelfallarbeit strukturelle Veränderungen im Sinne der Kinder herbeigeführt.
Buchpräsentation: „Das ist mein Recht, das lass ich mir von niemanden nehmen“
Die Stimmen der Kinder zu hören, daran appellierte auch die Performance der Kinder und Jugendlichen in der anschließenden Präsentation des Buches Kinderrechte. Gemeinsam in einem von der KJA initiierten Projekt hatten Schülerinnen und Schüler unterschiedlicher Altersstufen und Schulen gemeinsam mit der Schreibpädagogin Lilly Axter Texte zu Rechten verfasst, die ihnen ein besonders Anliegen waren. Die graphische Gestaltung des Buches beinhaltet die handschriftlichen Ausschnitte der Texte sowie die Bilder und Zeichnungen der Kinder, die von Helga Hofbauer illustriert wurden.
Die bewegenden, kreativen und aufrüttelnden Texte erzählen unter anderem von Leistungsdruck, das Recht auf die eigene Meinung, Mobbing, Identitätsfindung oder die Wichtigkeit von Freundschaft.
Maßstäbe im Bereich Kinderrechte für Österreich gesetzt
Im anschließenden Round Table bat Moderatorin Sonja Kato die beiden ehemaligen Kinder- und Jugendanwälte Marion Gebhart sowie Anton Schmid, die ehemalige Stadträtin Grete Laska und den ehemaligen Stadtrat Christian Oxonitsch sowie Monika Pinterits und Ercan Nik Nafs in chronologischer Reihenfolge auf die Bühne.
Ingrid Smejkal, die zwischen 1992 und 1994 für das Resort zuständige Stadträtin war, konnte nicht persönlich anwesend sein, lies in ihren Grußworten jedoch ausrichten, wie wichtig die Tatsache ist, dass die Menschen sich anonym an die KJA wenden und sich beraten lassen können. Grete Laska freute sich, dass vor allem in den 1990er-Jahren fast zu jedem Kinderrecht eine Einrichtung entstanden sei, die sich für die Umsetzung dieses Rechts einsetze und damit die Arbeit der Kinder- und Jugendanwaltschaft unterstütze. Christian Oxonitsch verglich die Arbeit der KJA mit dem „Bohren harter Bretter“, durch das kompromisslose Beharren auf die Umsetzung und Einhaltung der Kinderrechte und die Aufnahme des Gewaltverbots in der Verfassung ist die Sensibilität stark gestiegen.
Czernohorszky lobte die aktuellen Errungenschaften, wie das Netzwerk Deradikalisierung und Prävention sowie die ständige seismographische Funktion der KJA. „Es ist immer schön, wenn man über ein Geburtstagskind sagen kann, dass es immer jung, flexibel und ewig innovativ ist“, so Czernohorszky über die KJA.
Anonymität und Weisungsfreiheit keine Selbstverständlichkeit
Die beiden ersten Wiener Kinder- und JugendanwältInnen Michael Singer und Claudia Pronay konnten nicht persönlich anwesend sein. In Ihren Grußworten richteten die beiden aus, dass sie sehr froh sind, dass die Kinder- und Jugendanwaltschaft so ein Erfolg geworden ist. Singer und Pronay waren Pioniere in ihrer Tätigkeit als Kinder- und JugendanwältInnen und haben sehr viel dazu beigetragen, dass die Kinder- und Jugendanwaltschaft weisungsfrei ist.
Marion Gebhart, die von 1994 bis 1999 Kinder- und Jugendanwältin war und jetzt die Abteilung Frauenförderung und Koordinierung von Frauenangelegenheiten (MA 57) leitet, erklärte, dass es ihr schon immer ein Anliegen war, Mädchen und Frauen zu „empowern“, damit aus Buben und Mädchen gleichberechtigte Erwachsene werden. Auch dies ist und bleibt ein großes Anliegen der KJA.
„Revolutionär“ war damals auch, dass die Leitung der KJA Wien stets von einem Mann und einer Frau in gleichberechtigter Position festgelegt wurde, so Anton Schmid.
Schmid, der 20 Jahre lang das Amt des Kinder- und Jugendanwalts innehatte, ermahnte, dass die Kinder und Jugendlichen nicht schlechter oder verdorbener werden, wie es seit Jahren immer wieder von den Erwachsenen heißt. Das einzige, was schlechter werden könne, sei das Umfeld und die Erwachsenen, die diese Kinder nicht schützen.
Der Einsatz für die Kinderrechte ist Vielen noch immer unbequem
Monika Pinterits erklärte, dass sie seit Beginn ihrer Tätigkeit immer wieder die unbequemen Themen ansprechen müsse, die viele Menschen nicht gerne hören wollen: Gewalt, Missbrauch und Unterdrückung des Willens und der Meinung von Kindern und Jugendlichen sind Themen, mit denen sich die KJA seit 25 Jahren beschäftigt und weiterhin muss für den Schutz der Kinder gekämpft werden.
Die „gesunde Watsche“ sei leider noch immer akzeptiert. Vieles komme auch vom Stress in unserer Gesellschaft, so Pinterits. „Wir sollten alle einmal innehalten und überlegen, was wir unseren Kindern eigentlich antun.“ Als wichtiges Signal ordnete die amtierende Kinder- und Jugendanwältin, dass ein Teil der Kinderrechte in die Bundesverfassung aufgenommen wurde.
KJA Wien: Werden uns nicht mit Kompromissen begnügen
Als letzter sprach Ercan Nik Nafs als jüngster Kinder- und Jugendanwalt und erster mit Migrationshintergrund: „Wir blicken mit viel stolz auf die letzten 25 Jahre zurück. Die Kinder- und Jugendanwaltschaft hat viel im Bereich der Aufklärung zu den Kinderrechten und in der Maßstabssetzung für den Schutz von Kindern in Österreich getan.“
Nik Nafs sprach vor allem über die Herausforderungen der Zukunft wie Konflikten und Klimawandel und legte ein Bekenntnis ab, dass das Team der Kinder- und Jugendanwaltschaft sich auch in kommenden 25 Jahren engagiert und selbstbewusst für die Kinderrechte, für Gleichheit der Geschlechter, für Demokratie und Freiheit und gegen Diskriminierungen jeglicher Art einsetzen wird.
„Wir wollen, dass die Kinder an der Gestaltung teilhaben und ihre Rechte ernstgenommen werden und wir werden uns nicht mit Kompromissen begnügen. Wir wollen, dass junge Menschen in Österreich geschützt vor Gewalt aufwachsen, egal welchen beruflichen, sozialen oder aufenthaltsrechtlichen Status ihre Eltern haben, dass sie lernen, sich ihre eigene Meinung zu bilden, kritisch zu sein, kreativ zu sein, dass sie fähig sein werden, mit den Herausforderungen der Zeit klug aber vor allem menschlich umzugehen“, so Nik Nafs.